Kreuzwege 4

Iareth war von der Hauptstraße abgebogen und ging nun über kleinere Gassen in Richtung seiner zeitweiligen Unterkunft. Während er ging dachte er über die Arbeit nach, die ihn nun schon seit fast drei Monden in Elinhir hielt. Es war ein Glücksfall gewesen, dass er kurz nach seiner Ankunft eine so gut bezahlte Arbeit gefunden hatte, denn sein Geld war ihm auf der langen Reise zuvor knapp geworden und für die Ausbesserungen in Schwindelnder Höhe am nedischen Turm bezahlte man ihn gut, fast 5 Münzen am Tag, eine Mahlzeit und zuweilen zusätzlich Bier oder Brot. Er bog um eine Ecke und erreichte nun den Teil der Stadt, in dem die weniger Glücklichen ihr Dasein fristeten. Es lag im Schatten der Oberstadt, die Gassen wurden dunkler und schmutziger, die Häuser schmucklos und teilweise verfallen. Obwohl die Unterstadt so trostlos war, hatte Iareth die Menschen die durch seine Arbeit beobachten konnte nie beneidet, wenn sie in feinen Gewändern aus ihren Prachtbauten kamen, um zu schwätzen oder Geschäftig umher zu hasten. Ihm schien, dass bestimmte Sorgen der Reichen nicht bis in die Unterstadt vordrangen und war das Leben hier auch teilweise armselig und grausam, so war es doch ehrlich und echt. Er musste jedoch auch zugeben, dass er im Grunde nie viel von der Oberstadt gesehen hatte außer der Vogelperspektive, die ihm seine Arbeit bescherte.

Er hielt inne vor einem großen Steinhaus, dass sich wie ein grauer Riese zwischen den kleineren Fachwerkhäusern ausnahm. Er schloss die alte, eisenbeschlagene Eingangstür auf und das Licht einer einzelnen Kerze blinzelte ihm aus dem kargen Flur entgegen. Ein Kopf lugte aus einer Tür unweit des Eingangs hervor.

„Wer da? Ach, du bists.“ Der Kopf verschwand wieder. „N’Abend Wolli.“ Sagte Iareth und zog die Tür hinter sich zu. „Sparst du Kerzen?“ „Kerzen sind teuer,“ gab der Mann namens Wolli brummend zurück. „Ja, aber der Heiler auch, wenn sich jemand das Genick auf der Treppe bricht.“ „Mhh.“ Machte Wolli.

Iareth ging die Treppe hinauf und erreichte eine Halle, in der viele Betten standen, die mit dünnen und teilweise zerrissenen Trennwänden von einander abgeschirmt waren. Mehrere Personen waren anwesend, ausschließlich Männer und aus allen Reichen Tamriels. Manche unterhielten sich gedämpft, schliefen oder sahen kurz auf während er den Raum durchquerte. Als er seine Bettstatt erreichte setzte er sich, legte seinen Kleidersack ab und griff nach einer Flasche, die am Kopfende unter dem Bettgestell verborgen lag. Sein Zimmer, wie er es in Ermangelung eines besseren Wortes nannte, war nicht mehr als ein Bett, ein Holzbottich mit Wasser und eine Kiste, von beiden Seiten begrenzt durch zwei Trennwände aus Leinenstoff und Holz. Er trank einige Schlucke Wein, dann entriegelte er seine Kiste und begann sein Arbeitszeug zu verstauen. Er zog sich um und trug nun helle Gewänder in der Art der Dunmer, die zwar schmutzig und geflickt, immer noch einen Abglanz der einstigen Kunstfertigkeit ihrer Schneider verrieten.

Er wollte seine Kiste gerade wieder schließen, da fiel sein Blick auf den langen, schlanken Säbel der ihm, unter seiner Kleidung halb verborgen, verheißungsvoll entgegen funkelte. Er legte den Kopf schief und nahm ihn aus der Truhe. Mit einer fließenden Bewegung befreite er die Klinge aus seiner blauen Scheide. Sein Säbel, das einzige von Wert das er noch besaß. Es war eine wunderbare Klinge aus blankem, widerstandsfähigem Stahl, am Heft schlank ging sie zum Kopf in etwas in die Breite und beschrieb einen eleganten Bogen bevor sie in einer floßenartigen Spitze zulief. Das Heft war bar jeden Schmucks und dennoch von schlichter Schönheit; leicht gekrümmt, vollendete es sich in einem stählernem Ring, durch den ein rotes Tuch geführt wurde. Eine Waffe die Eleganz und Effizienz vereinte und außerdem das letzte Erinnerungsstück an seine Heimat. „Nun,“ dachte er, „wenn die Rothwardonen heute patriotisch sind, warum nicht auch ich?“ Und er legte sich den breiten Ledergurt um, mit dem er die Scheide seines Säbels am Rücken befestigen konnte.

Wenige Minuten später ging er wieder durch die dunklen Straßen Elhinirs, nun nicht mehr der fremde Wanderarbeiter, sondern sein altes selbst, der glück- und heimatlose dunmerische Krieger.

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