Kreuzwege 26

„Aua!“

Zanodar schwankte. Ein Goldstück hüpfte dabei aus dem offenen Beutel und fiel klirrend auf das grobe Straßenpflaster. Krampfhaft schloss er die Finger um seine Beute. Dann blickte er nach unten, um zu sehen, was ihn da getroffen hatte und natürlich um das Goldstück wieder aufzusammeln.

Zuerst sah er Blumen.

Viele bunte Blumen, die sich um seine Füße verteilt hatten.

Mitten drin hockte ein Orkmädchen, das gerade begann, die ganzen verschütteten Blumen wieder in seinen Korb zu sammeln. Die Kleine sah auf, ihre Blicke begegneten sich und Zanodar sah die frischen Tränenspuren auf ihren Wangen. Seufzend hockte er sich hin. „Ist doch nicht so schlimm, Kleines. Dieser hilft dir. Ja?“

„Doch, es … „ Sie zog geräuschvoll die Nase hoch. „Es ist nicht wegen … Wollt Ihr eine Blume kaufen?“ Sehnsüchtig schielte sie auf das Goldstück, welches in ihrer Reichweite lag, getraute sich aber nicht danach zu greifen.

„Nicht wegen was?“ Zanodar hob das Geld auf und hielt es zwischen den Fingern, unschlüssig ob er es wieder einstecken oder der Kleinen geben sollte.

Ein neuer Weinkrampf schüttelte das Mädchen. „Die Frau da …“ begann sie und deutete mit dem Finger hinter sich zum Markt, „die hat gesagt … hat gesagt, sie kauft mir keine Blumen ab, weil …“ Sie wurde immer leiser. Zanodar legte ihr, natürlich mit eingezogener Kralle, den Finger unters Kinn und hob es leicht an, sodass sie ihn weiter ansehen musste. „Was hat sie gesagt?“

„Weil … weil …“ Jetzt liefen die Tränen wieder kräftig über das schmuddelige Gesicht. „Weil … ich hässlich bin“, platzte es aus ihr heraus.

Zanodar schluckte. Nun ja, da war was dran. Aber das konnte man doch einem Kind nicht mitten ins Gesicht sagen!

Immer noch hielt er das Goldstück in der Hand. Er atmete einmal tief durch. Dann ließ er es in den Beutel gleiten, verschloss diesen fest und hielt ihn dem Mädchen hin. „Da, nimm“, sagte er. „Orks sind stark und tapfer. Wenn du groß bist, wirst du eine mächtige Kriegerin sein und kannst die böse Frau dafür verhauen, ja?“

Das Mädchen wischte sich, noch einmal schniefend, über Augen und Nase. Ungläubig sah sie ihn an. „Möchtet Ihr …?“ Sie hielt ihm den wieder halb gefüllten Blumenkorb hin, doch Zanodar winkte lächelnd ab. „Behalte ihn, ja. Khajiit müssen immer niesen, wenn sie an Blumen riechen.“ Er zwinkerte ihr noch einmal zu, stand dann auf und setzte seinen Weg langsam fort.

Mittlerweile war es dunkel geworden. Die meisten Fackeln waren heruntergebrannt, Schatten breiteten sich aus. Zanodar gähnte. Der weite Weg durch durch die Gluthitze des Tages hatte ihn müde gemacht. Müde und auch hungrig. Dummerweise waren seine Taschen wieder genauso leer wie am Morgen, als er aufgebrochen war. Er würde wohl noch einmal sein Glück versuchen müssen, um sich etwas zu essen und eine einfache Unterkunft für die Nacht leisten zu können.

Mit diesem Vorsatz gelangte er in die Nähe der Kämpfergilde. Hier standen noch ein paar Grüppchen zusammen, vermutlich Mitglieder der Gilde und deren Angehörige, die sich nach den Feierlichkeiten für die Nacht verabschieden wollten. Da sollte doch was gehen.

Zanodar schlenderte dicht an ihnen vorbei, schnappte hier und dort einige Gesprächsfetzen auf, nickte einigen wildfremden Leuten grüßend zu, so als würde er sie schon lange kennen, und hielt dabei immer Ausschau nach unbeaufsichtigten Wertsachen.

Als er nach einer Weile mit einem eher unscheinbaren Geldbeutelchen in den Händen den Platz wieder verließ, war ihm so als ob er beobachtet würde.

Vorsichtig schaute er sich um. Wer war es? Die schläfrig wirkende Stadtwache an der Ecke wohl kaum. Die drei Halbwüchsigen dort? … Eher nicht. Der dunkelhäutige Mann bei der Argonierin? … Unwahrscheinlich, die beiden schienen miteinander beschäftigt zu sein. Der Krieger in der Bronzerüstung am Gildentor? … Vielleicht. Gerade schaute er in Zanodars Richtung. Aber eigentlich war es egal. Zanodar beschloss, sein Glück nicht weiter zu strapazieren und sich stattdessen lieber eine Unterkunft zu suchen. Er kannte da eine in der Unterstadt, eher ein billiger Schlafsaal mit abgetrennten Nischen, aber für ihn würde es völlig reichen. Vielleicht hatte das Haus, das damals einem schon steinalten Bosmer gehört hatte, die Jahre ja überstanden und vermietete immer noch Schlafplätze. Einen Versuch war es wert.

Leise pfeifend schlug Zanodar den Weg zur Unterstadt ein.

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