Kreuzwege 49

Die Maurergilde hatte ihr Quartier im Handwerkerviertel. Das Haus war recht groß aber schlicht gehalten, ohne aufwendige Verzierungen. Sandfarbene Fassade, schmale Fenster, ein flaches Dach. Lediglich über dem breiten Torbogen prangte das gemeißelte Gildensymbol.

Das Tor stand weit offen, niemand, der zur Gilde gehören konnte, war zu sehen, was kein großes Wunder war, denn zu dieser Tageszeit waren sicher längst alle auf ihren Baustellen. Der kleine Umweg durch die Kanalisation hatte doch länger gedauert als sich das Iareth vermutlich gedacht hatte.

Zanodar trat durch das Tor in einen geräumigen Innenhof. Hier sah es schon eher nach Handwerk aus. Überall standen kleinere Probearbeiten, waren Muster ausgelegt und auch Baumaterial gelagert. In einem vergitterten Verschlag, der wohl als Werkzeugausgabe diente, hockte ein einarmiger Rothwardone an seiner Theke. Er blickte zu Zanodar hinüber, verzog missmutig das Gesicht und widmete sich wieder demonstrativ einem Buch, in das er irgendetwas hineinkritzelte.

Zanodar überlegte trotzdem kurz, ob er ihn ansprechen sollte. Er lies es bleiben als er von selbst die Tür entdeckte, die nach Iareths Beschreibung zum Büro des Gildenleiters führen sollte. Kurz strich er noch einmal seine Kleidung glatt, dann klopfte er an und trat ein.

„Was kann ich für… Was willst du, Katze?“

Die Stimmlage so abrupt von anbiederisch zu barsch wechseln zu lassen war schon eine Leistung. Vermutlich hatte die dunkelhäutige Frau mit der Hakennase und den streng zurückgebundenen, bereits stark ergrauten Haaren seit langem Übung darin. Zanodar ließ sich trotzdem nicht so schnell aus der Ruhe bringen: „Dieser hier möchte gern mit Meister Hakan sprechen, wenn es Euch recht ist“, antwortete er betont höflich.

„Meister Hakan ist nicht da.“ Die dazu gehörige Geste war eindeutig ein Wink, die Tür von außen zu schließen.

„Das tut diesem leid.“ Zanodar ließ nicht locker. „Würdet Ihr dann die Güte haben, diesen kurz anzuhören? Iareth schickt diesen.“

„Iareth?“

Irgendwie klang das gereizt, fand Zanodar. Die rechte Hand des Gildenmeisters – ‚Vorzimmerdaedroth trifft es eher‘, dachte der Khajiit – stützte die Hände auf dem Schreibtisch ab und stemmte sich hoch. „Wenn dich der feine Herr Iareth geschickt hat, dann kannst du mir sicher auch sagen, weshalb er heute nicht zur Arbeit erschienen ist. Bei Satakal, ist es denn so schwer, einen Tag vorher Bescheid zu geben, wenn man keine Lust mehr hat? Wer soll denn jetzt die Arbeit machen, hä? Natürlich blieb wieder alles an mir hängen. Ich musste den Trupp neu einteilen, ich musste den Herren Yuba vertrösten, dessen Gartenmauer nun erst morgen verputzt werden kann, ich musste mir das Gejammere anhören, ich …“ Während dieses Wortschwalls war sie hinter ihrem Tisch hervorgetreten. Nun stand sie direkt vor Zanodar, drückte ihm ihren knochigen Finger auf die Brust und holte tief Luft, bevor sie zischte: „… und dann schickt mir dieser Hinterwäldler den nächstbesten Bettler vorbei? Nun pack dich und sag deinem Iareth, dass er sich hier nie wieder sehen lassen soll. Und seinen offenen Lohn kann er auch vergessen! Das ist nur gerecht für die ganze Arbeit, die er MIR aufgehalst hat!“

Damit drängte sie ihn rückwärts, sodass Zanodar gar nichts anderes übrig blieb, als das Büro fast fluchtartig zu verlassen. Als er mit hängenden Ohren auf die Straße zurücktrottete, grinste ihm der Einarmige höhnisch nach.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..