Kreuzwege 57

Vier große Feuerschalen erhellten flackernd die Ecken des Raumes, der ein Kreuzungspunkt mehrerer Kanaltunnel war. Eine fünfte brannte etwa in der Mitte, direkt (und sehr dicht) vor den Füßen Zanodars, welcher gefesselt dort hockte und Ra’Shiras Ansprache über sich ergehen lassen musste.

„… kommen wir nun zum geschäftlichen Teil“, sagte dieser, nachdem er für alle lang und breit noch einmal die Regeln der Diebesgilde erläutert und mögliche Strafen für Verfehlungen aufgezählt hatte.

„Unser ehemaliges Mitglied Rawlsej“, er wies anklagend auf Zanodar, „war vor fast 26 Jahren an der legendären Plünderung der Arenakasse beteiligt. Ihm oblag es, genau wir Turman und Zaiina, jeweils ein Drittel des Goldes auf getrennten Wegen zur Gilde zu bringen. Nur …“, hier machte er eine bedeutungsvolle Pause, in der er jeden einzelnen Dieb in der Runde anschaute, „… er kam nie an.“ Nun sah er Zanodar direkt ins Gesicht. Dieser senkte den Blick. Was jetzt kommen würde wusste er. Ra’Shira fuhr auch sogleich fort: „Unsere Schatzmeisterin Nimoni war so gut, die Summe einmal auszurechnen. Mit allen fälligen Zinsen und Zinseszinsen beläuft sich Rawlsejs Schuld heute auf 36852 Goldstücke.“

Erst war es totenstill, dann brandeten aus allen Richtungen entrüstete Rufe über ihn herein. Drohungen wurden ausgestoßen, Schimpfworte der übelsten Sorte flogen munter hin und her. Es war erstaunlich, wie stark das Gerechtigkeitsempfinden von Dieben manchmal ausgeprägt sein konnte.

Ra’Shira grinste gemein.

„Nun, Rawlsej, dieser vermutet, dass du das Gold nicht bei dir trägst. Ist es nicht so?“

Zanodar nickte schwach.

„Und es wird auch niemand für diese Schuld einstehen. Richtig?“

Er schüttelte den Kopf.

„Ja dann … bleibt mir leider keine Wahl.“ Er seufzte theatralisch und wandte sich dann an eine Gruppe schwer bewaffneter Schläger nahe beim Eingang: „Sperrt ihn ein!“

„Was wirst du mit ihm tun?“ fragte Nimoni, als sie später mit Ra’Shira allein in der Schatzkammer saß. „Du weißt dass er diese Summe niemals zusammenbringen wird, aber einfach umbringen kannst du ihn auch nicht. Das wäre gegen die Regeln.“

„Regeln …“ Ra’Shira ließ sein Raubtiergrinsen sehen. Doch die Bosmer beeindruckte er damit nicht. „Wir werden ihn nicht töten. Natürlich nicht. Doch wenn wir ihn einfach in seiner Zelle vergessen, verstoßen wir gegen keine Regel, nicht wahr?“

Nimoni überlegte eine Weile, dann nickte sie. „Ja, das stimmt schon. Nur … auf diese Weise holst du das fehlende Gold auch nicht wieder rein.“

„Hast du eine bessere Idee, Nimoni?“

„Die habe ich in der Tat.“ Jetzt war es an der Bosmer zu grinsen und Ra’Shira spitzte erwartungsvoll die Ohren. „Zufällig kenne ich ein paar Leute, die recht hohe Summen für kräftige Arbeiter bezahlen. Und … sogar dann noch, wenn diese Arbeiter bereits tot sind und keine Geheimnisse der Gilde mehr verraten können.“

Ra’Shira brauchte nicht lange zu grübeln. Auf diese Weise würden sie wenigstens einen Teil des damaligen Verlustes wieder hereinbekommen. „Gut. Informiere diese Leute“, ordnete er an. „Aber, Nimoni, regele es so, dass der bedauerliche Unfall erst außerhalb der Stadt passiert, ja. Ich will hier drin keinen Ärger.“

Nimoni nickte und verließ den Raum.

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