Schatzjäger 32

Hinter einer hüfthoch verlaufenden Wurzel hockten sie sich nieder und beobachteten den Eingang. Was sie misstrauisch gemacht hatte, waren die frischen Spuren im Laub. Spuren, wie als hätte jemand mit einem Besen immer links und rechts weggewischt. Schwarze Erde, wie alter schrumpeliger Schorf, lugte hervor. Es war eher feuchter Lehm, etwas sandig. Nicht wie gesunde Erdkrume sah es aus, sondern fast glänzend wie mit Schleim überzogen. Das Laub, braun, vom Vorjahr war der Teppich, der den Unrat verdeckte. Und dann das gähnende Loch! Umrahmt von verwitterten Gesteinsblöcken mit sonderbar verschlungenen Mustern eingemeißelt. So fremdartig für den Betrachter, aber gleichzeitig so organisch verbunden mit der natürlichen Umgebung. Fast könnte man sie für versteinertes Wurzelgeflecht halten. Die Mistkäfer taten es, und das Moos. Umrahmt stimmte nicht ganz, denn was von kunstfertiger Hand geschaffen war bestand nur zur Hälfte. Der Rest war eingestürzt oder einfach zersplittert. Auf den ersten Blick wirkte es wie ein Höhleneingang, wie man ihn in den Bergen erwarten würde.

Nach einer ganzen Weile schauten sie sich an, nickten und bewegten sich dann mit schnellen vorsichtigen Schritten auf die Höhle zu. Am Rand blieben sie stehen und spähten hinein. So schnell wie Sagit seinen Kopf hineingereckt hatte, zog er ihn auch wieder heraus. Der üble Geruch biss in der Nase und trieb ihm Tränen in die Augen. Kotgeruch, wie im Abort im Hinterhof einer mehretagigen Söldnerunterkunft, Schimmelgeruch, wie im überfluteten Keller des Leyawhiner Totenhauses nach der Regenzeit, ein Brodem, wie der verfaulte Mund eines Skorbutkranken Seemannes im Kielraum einer kaiserlichen Galeere. Aber das scheußlichste war der ranzige Schweißgeruch, wie der der siechenden Bettler, die die Straße am Lepraasyl in der Sommerhitze der hohen Feiertage säumten, um Brotkrumen winselnd.

Sagit holte ein Tuch aus der Hosentasche und band es sich so um den Kopf das es Nase und Mund bedeckte. Sie gingen hinein. Die Augen adaptierten sich schnell an die dürftigen Lichtverhältnisse und sie konnten einigermaßen gut erkennen wo sie hintraten.

„Ummh, ahmm…“, stöhnte es entfernt.

Langsam gingen sie weiter. Die Laute hatten sie nicht erschrocken. Es war als hätten sie etwas in der Richtung erwartet. Sie waren nur auf das Äußerste gespannt.

„Ahmm, ummh…“

Vor ihnen erschien ein großer Haufen mit einer runden Murmel obenauf. Spitze Schlappohren und eine Reihe fahl schimmernder und aus dem Mund fallender Zähne. Der Haufen erwies sich als tonnenförmiger Oberkörper mit Brustmuskeln so groß wie Satteltaschen. Links und rechts ragten Säulen hervor, die nur die Arme seien konnten. Sie schienen mit ihren dazugehörigen Händen, die wie Schaufeln auf dem Boden ausgebreitet waren, die Balance der gewaltigen Masse zu halten. Plötzlich blitzen im Kopf zwei weiße münzgroße Löcher auf. Sagit wäre beinahe zurückgesprungen, aber er konnte sich noch beherrschen.

„Mauloch, ummh…“, erscholl ein tiefes bauchiges Bass.

Sagith und Iareth blieben wie angewurzelt stehen.

„Mauloch, Bergfurz, ahhh…“

Der Haufen vibrierte. Laub raschelte. Es konnte nicht sein, aber es schien als würde das Zwielicht grün schimmern.

„Ein Oger?“, Sagit wagte es nicht einmal zu flüstern, sondern nur in Iareths Ohr zu wispern.

„Malacath mmm sprich…“, donnerte es zur Antwort.

„Oh Malak! Er Fußvolk“, versicherte es erstaunlich hell, mit anderer Stimme.

„Sprich! Wer da?“, wetterte es streng.

***

Zanodar und Cyrus lagen auf einem Hang im Gras und ließen sich die milde Sonne auf den Rücken scheinen. Es war noch relativ früh am Vormittag. Sie hatten beschlossen erst einmal abzuwarten und zu schauen wer da unten so alles seine Nase herausstrecken würde. Unter ihnen machte sich das pyramidenförmige Scourg breit. Sie waren zu einer mit struppigem Gebüsch bewachsenen Stelle gerobbt und hatten sich so gut es ging mit Grasbüscheln und Zweigen getarnt. Seit geraumer Zeit beobachteten sie das Tor des Hügelgrabes, doch bisher hatte sich nichts getan. Vor dem Tor stand ein ausgespannter Leiterwagen. Einige Kisten lagen herum. Ein Stapel Bretter. Sonst nichts weiter. Scourg selbst war beeindruckend groß. Ein Fremdkörper in der Landschaft. Seine polierten Opalwände waren fugenlos aus Blöcken geschichtet. Unregelmäßige Risse und erodierende Abplatzungen zeugten beredt vom Alter der Gemäuer. Es war mindestens so hoch wie der Tempel des Einen vor seiner Zerstörung und wie es sich für ein Grab gehörte, fensterlos. Jedenfalls für ein pyramidenförmiges Grab aus vergangener Zeit. Das es die Form einer Pyramide hatte, war eigentlich nur ein annähernde Beschreibung. Es waren einfach zwei aufeinander gestellte Kästen mit einem schrägen Dach. Wenn überhaupt, dann konnte man es nur als sehr primitive Pyramide bezeichnen. Aber das war nur ein schönes Bild für ein hässliches Gebäude. Man konnte es nicht anders sagen. Scourg war einfach plump und völlig fehl am Platz.

„Auf jeden Fall hatte er seinen Streitwagen in der letzten Kurve so ausscheren lassen, dass er die Achse von Silas zerschmetterte und sich somit den Sieg sicherte. Was für ein gemeiner Trick! Und schüttelt ihm hinterher noch mit unschuldiger Mine die Hand. Es gibt keine Ehre mehr im Rennen. Na und die Wetten werden unvorhersehbar“, lamentierte Cyrus.

Unten schien sich etwas zu bewegen, aber es war nur ein Feldhase, der in seine Höhle flitzte.

„Sag mal Zanodar. Als du da uns vor den Gaul gesprungen bist. Vor was bist du wirklich davongelaufen?“

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