Ein Stab flog durch die Luft.
Im hohen Bogen segelte Roses Magierstab durch den Raum, schlug auf dem steinernen Boden auf und rutschte noch ein Stück weiter, bevor er knapp drei Schritte vor dem Altar zum liegen kam.
Dabei blieb es nicht.
Durch den harten Aufschlag hatte der kränklich gelbe Stein am oberen Ende einen Sprung bekommen, und dies musste sich auf irgendeine magische Weise auf den Zombie übertragen haben. Er grunzte gequält auf und sein Kopf zuckte wild in alle Richtungen. Die toten Augen flackerten kurz. Er unterbrach seine letzte Beschäftigung, schmierte Rotz und Popel achtlos an den Altar und kletterte hinab. Etwas unschlüssig stapfte er auf den Zauberstab zu.
Ein anderer hatte die gleiche Idee, und so kam es, dass Zanodar schon die Pfote nach der Waffe ausstreckte, als er die hässliche Zombievisage unmittelbar vor sich sah.
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Es war ein wilder Ritt. Sagit kämpfte verzweifelt gegen die vielfältigen, teilweise höchst unfairen Befreiungsversuche des Beschwörers an. Seine Hände wiesen mittlerweile schon etliche Kratzspuren auf und der Rücken schmerzte heftig, dort wo ihn die Tritte mit den Hacken getroffen hatten. Aber noch hielt er sich, und das grelle Leuchten von Cyrus‘ Zauber ließ langsam nach.
Über ihnen pendelte der Magier an seinem Seil immer noch beängstigend schnell hin und her.
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Kurz nachdem Sagit auf Vater Fleisch zugesprungen war, hatte auch Iareth seinen Gegner gefunden. Was zuerst nach einem sehr kurzen Schalgabtausch aussah, entwickelte sich zu einem längeren Gefecht.
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„Nimm das!! Und das!! Und das!!!“
So ein Magierstab war auch zu anderen Dingen gut. Wenn man nicht damit zaubern konnte, so taugte er als ganz gewöhnlicher Knüppel. Und mit diesem machte der Zombie gerade unschöne Bekanntschaft. Zanodar drosch aus voller Kraft und ohne die geringste Rücksicht auf ihn ein. Sein Gegner war sowieso schon tot und kannte sicher keine Schmerzen. Da war es egal, welche Körperteile er traf. Hauptsache, er hielt ihn sich damit vom Fell.
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„Das ist wieder mal ganz typisch! Männer! Niemand nimmt mich ernst!“ Eclair kochte innerlich. Es war immer das gleiche. Ihre Partner wurden attackiert, wenn man auf Feinde traf, doch sie selbst unterschätzte man meist völlig.
Andererseits … war das nicht schlecht, oder? Eclair grinste. Die würden sich gleich gewaltig wundern!
Sie drehte sich Sagit zu, der, ihr am nächsten, noch immer auf Rose hockte und ihr den Rücken zugedreht hatte. Zwei Schritte machte sie, dann blieb sie stehen. Sie atmete tief durch, rief ihre Magie. Und dann begann Eclair von innen heraus zu leuchten.
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Es krachte dumpf und Sagit schnaufte geschafft. Endlich regte sich der Körper unter ihm nicht mehr, nachdem er Vater Fleisch an den Ohren gepackt und seinen Kopf mit aller Kraft auf den harten Steinboden geschlagen hatte. Jetzt kurz verschnaufen und dann den anderen …
Langsam wandte er sich um.
„Siina?“
Konnte das sein? Er hielt den Atem an. Da stand sie vor ihm. Siina, seine Siina, die er vor so langer Zeit über alles geliebt hatte. Das war sie. Kein Zweifel! Es war ihre traumhafte Figur, ihr wundervolles Haar, ihr unendlich trauriger Blick, mit dem sie ihm damals gestanden hatte, dass sie einem Angehörigen des Königshauses versprochen war.
Doch warum war sie dann hier?
Die Zweifel verflogen, bevor sie sich in seinem Geist festsetzen konnten. Es war doch völlig egal. Wichtig, allein wichtig war nur, dass sie endlich zu ihm zurückgekehrt war. Nur zu ihm. Ein unglaubliches Glücksgefühl überkam ihn. Er stand auf und ging langsam, ganz langsam mit offenen Armen auf sie zu.
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Iareth hatte inzwischen Wolke ausgeschaltet. Die beiden hatten sich während ihres Kampfes ein ganzes Stück entfernt. Nun sah er sich um und suchte einen neuen Gegner.
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Eclair stand still im Raum. Sie lächelte. Sie hätte auch tanzen können. Es war so wundervoll, so großartig! Dieses Gefühl von Macht! … Doch still jetzt! Konzentration!
Sagit kam auf sie zu. Auch er lächelte sie an.
Akt zwei begann.
Eclair schlug die Hände vor ihr Gesicht und weinte bitterlich.
„Siina! Was ist? Was hast du? Ich bin doch bei dir.“ Er nahm sie in den Arm und redete beruhigend auf sie ein.
„Dieser … dieser …“ Eclair schluchzte. Dann deutete sie mit zitternder Hand auf Iareth, der mit gesenkter Waffe langsam auf sie zu schritt. „Dieser Dunmer“, hauchte sie, „will mir Gewalt antun. So hilf mir doch!“
Sagits Blick verfinsterte sich. Ja, er würde ihr helfen! Er würde alles tun, um sie zu beschützen.
Er erblickte das Schwert, das in einem Schutthaufen gleich neben ihm steckte, zog es heraus und richtete die Spitze drohend auf seinen Freund.
„Fass sie nicht an!“ zischte er.
Mit erhobener Waffe trat er Iareth entgegen.
***
Holz splitterte bei einem letzten, besonders kräftig geführten Hieb. Der bereits beschädigte Stein zersprang in viele kleine Fragmente, die durch den Raum spritzten. Mit einem letzten Grunzen und eingeschlagenem Schädel sackte der Zombie in sich zusammen, klatschte auf den Boden und rührte sich nicht mehr. Zanodar stand noch. Schwer atmend stützte er sich auf den Rest des Zauberstabes. Seine Arme brannten von der Anstrengung und seine Knie zitterten.
War es vorbei?
Wohl nicht.
Denn als er sich umwandte, sah er ein weiteres Bild, das er kaum glauben konnte. Nicht glauben wollte.
Sagit hatte sich gegen Iareth gewandt und schlug mit einem Schwert auf ihn ein. Der Dunmer wehrte sich, doch er verteidigte sich nur, blockte ab und redete dabei auf Sagit ein. Es brachte nur nichts, denn der Mensch kämpfte wie besessen.
Zanodar musste etwas tun. Selbst unendlich müde setzte er sich in Bewegung. Dabei traf sein Blick auf SIE.
Er stutzte.
Das … das konnte nicht sein.
Oder doch?
Wie kam solch eine Schönheit an solch einen hässlichen Ort?
Kaum hatte er den Gedanken gedacht, war er schon wieder vergessen. Sein Blick galt nur noch der Khajiit, die direkt vor ihm stand, ihrem seidig glänzenden Fell, dass so gut wie nichts bedeckte, ihrem langen schlanken Schwanz und ihrem Geruch, der all seine anderen Sinne benebelte.
Vergessen war das Klirren ver Schwerter, vergessen die vereinzelten Rufe und Flüche, mit denen der immer noch leicht schaukelnde Cyrus alle Seile Nirns bedachte.
In Zanodars Hose wurde es eng.
Seine Schritte beschleunigten sich.
***
Nummer zwei!
Eclair jubilierte innerlich. Sie hatte es noch immer voll drauf. Und dabei hatte sie noch nicht einmal all ihre Kraft eingesetzt. Noch hatte sie Reserven, und es wäre doch gelacht, wenn nicht auch die anderen beiden Trottel ihrem Charme verfallen würden.
Kurz überlegte sie, ob sie wirklich warten sollte, bis Sagit den Dunmer getötet hatte. Oder dieser ihn, was auf das gleiche herauskam.
Doch sie wusste ebenfalls, dass sich kein Zauber ewig aufrecht erhalten ließ. Irgendwann würde sie ihre Gegner sowieso töten müssen. Also warum nicht gleich?
Sie zuckte kuz zusammen, als mit einem scharfen Knall ein seil riss und ein schwerer Körper etwas weiter hinten auf den Boden schlug. Dann wandte sie sich wieder ihrem zweiten Opfer zu. Dem liebeskranken Khajiit.
Moment mal!
Irgendetwas hatte sie übersehen.
Nur was?
Der Khajiit tänzelte weiter auf sie zu. Sein Maul mit den kräftigen Zähnen stand leicht offen, seine Augen glänzten vor Verlangen. Seine behaarten Pfoten streckten sich ihr entgegen. …
BEHAART!!!
Kaum war der Gedanke da, als Eclairs Körper auch schon darauf reagierte. Ein gigantischer Niesanfall schüttelte sie durch, raubte ihr jegliche Konzentration und ließ ihre Magie zusammenbrechen. Eclair ging in die Knie. Wieso?? Wieso nur hatte sie nicht an ihre Khajiithaarallergie gedacht? Es hätte so großartig werden können, aber nein … Unzählige weitere Niesanfälle schüttelten sie durch, während sie als Häufchen Elend auf dem Boden kauerte. Nirn war so ungerecht.