Zanodar bewegte den Finger mit dem Ring daran mehrmals auf und ab. „Permanent?“, fragte er. „Was genau bewirkt er? Dieser kann es nicht spüren“, gab er zu und hob etwas hilflos die Schultern.
Bevor Cyrus allerdings auf seine Frage antworten konnte – wenn er sie überhaupt vernommen hatte – wurde er durch Sagit abgelenkt. Und auch Zanodar schaute sich interessiert dieses komische Buch an, dem die ganze Aktion hier gegolten hatte.
Es sah nach nichts aus.
Als das Gespräch auf die Truhe voller Schätze kam, war er sofort bereit mit anzufassen.
„Wir können diese Halsabschneider auf ihren eigenen Wagen werfen“, schlug er Cyrus vor, als er mit einem Sack voll Silbergeschirr auf dem Rücken an ihm vorbei lief. „Am Stadttor übergebt Ihr sie den Wachen. Das machen doch Ratsherren so, oder?“
Fragend sah er ihn an und hoffte, dass der Magier nicht vor hatte, die Beschwörer hier gefesselt zurückzulassen, wo sie vielleicht hilflos verhungern würden. Denn das hatte seiner Meinung nach kein Wesen verdient, auch wenn es noch so böse war.
***
Elinhir – Diebesgilde
„Gibt es noch Fragen?“
Ra’Shira stieß sich von der Wand ab, an der er während seiner langen Rede lässig gelehnt hatte, und sah noch einmal in die Runde. Sein Blick hatte etwas lauerndes an sich, was wohl die meisten der Anwesenden abschreckte, ihn mit überflüssigen Fragen zu belästigen.
„Gut“, schnurrte er, als keine Einwände kamen. „Dann machen wir es so. Jeder weiß, was er zu tun hat.“
Als erstes brach Hassan auf. Er führte den kleinen Trupp von acht kampferprobten Leuten, die nach Scourg geschickt wurden. Ra’Shira hatte keinesfalls vor, Zanodar einfach so ziehen zu lassen. Aberglaube hin oder her. Dass ausgerechnet Hassan den Trupp anführte hatte zwei Gründe.
Zum einen war Hassan mehr Krieger als Dieb. Als junger Mann hatte er fast zwei Jahrzehnte in der Ausbildungsstätte von Lekis Klinge verbracht und war dort im Kampfstil der alten Ansei-Schwertmeister unterrichtet worden. Er hatte es selbst zur Meisterschaft mit dem Krummschwert gebracht. Was dann genau vorgefallen war und Hassan gezwungen hatte sich der Gilde anzuschließen, war eines der wenigen Geheimnisse, die Ra’Shira von seinen Leuten nicht kannte. Er wusste nur so viel, dass Hassan wohl in die Intrigen zweier Adelsfamilien geraten war und dann geopfert wurde, um jemand anderen zu decken. Der Fall war nie aufgeklärt worden, was ihn wiederum vermuten ließ, dass die Drahtzieher ganz weit oben saßen. Vielleicht sogar im Königshaus selbst. Letztlich konnte es ihm egal sein, denn Hassan machte seine Arbeit bei den Dieben gut.
Der zweite Grund war simpel. Ra’Shira hatte einfach vor, Hassan zu zeigen, dass von einem alten Grabmal keine Gefahr in Form von Flüchen oder anderem Unsinn ausging. Sein Untergebener musste sich nun entscheiden, was ihm mehr bedeutete. Aberglaube oder Loyalität. Ra’Shira zweifelte nicht daran, dass er die richtigen Wahl treffen würde.
Inzwischen hatte sich der Versammlungsraum zur Hälfte gelehrt, als die Tür aufflog.
„Meister!“
Ra’Shiras Blick ruckte herum. Sein Gesicht verzog sich sogleich angewidert.
„Was willst du, Sa Lenka?“
Die Angesprochene blieb schnaufend vor ihm stehen. Sie brauchte ein paar Augenblicke, um reden zu können, weshalb Ra’Shira gezwungen war, sie weiter anzusehen. Und der Anblick war gewiss nicht schön. Sa Lenka war noch jung, vielleicht 25 Jahre alt, und mit ihrem fast weißen Fell bestimmt einmal eine Schönheit gewesen. Doch das war vor dem Unfall. Heute war ihre gesamte rechte Körperseite eine einzige Brandnarbe, aus der ihn ein blindes, milchiges Auge anzustarren schien. Niemand konnte diesen Anblick lange ertragen und niemand hatte ihr deshalb noch Arbeit geben wollen, weshalb ihr nur das Leben einer Bettlerin in den ärmsten Stadtteilen geblieben war. Das Leben einer Bettlerin und Spionin der Diebesgilde.
„Sie kommen“, keuchte Sa Lenka schließlich, „die Garde, sie ist auf dem Weg hierher.“
„Was sagst du?“
Ra’Shira wusste nicht gleich, ob er ihr glauben oder sie einfach wegjagen sollt. „Ist das sicher? Wo sind sie? Wie lange noch?“
Aus Sa Lenkas schnellen, präzisen Antworten musste er erkennen, dass keine Zeit mehr blieb, die Gilde vollständig zu evakuieren. Warum das so war würde er später ergründen müssen. Irgendetwas war schief gelaufen. Schließlich hatte er immer pünktlich seine Schmiergelder bezahlt.
„Verrammelt die Türen!“, schrie er seinen Leuten zu, „und sucht Nimoni!“
Bevor er selbst aus dem Raum rannte, um die Schatzkammer zu sichern, warf er der Bettlerin seine Geldbörse zu. „Hier nimm und verschwinde!“ Die Börse enthielt weit mehr, als Sa Lenka für die Nachricht zugestanden hätte, doch den Luxus die Summe abzuzählen, konnte sich Ra’Shira gerade nicht leisten. Den Dank der Khajiit hörte er schon nicht mehr.