Es kratzte fürchterlich im Hals. Sagit musste husten. Ein trockener Husten, der die Kehle noch mehr reizte, was zu noch mehr Husten führte. Er hielt die Luft an und kämpfte mit dem unangenehmen Gefühl im Hals. Martha schob ihm den Krug mit dem Getränk zu und forderte ihn auf zu trinken, um die Nerven zu beruhigen. Außerdem reichte sie ihm ein weißes Tuch, das sie aus ihrer Tasche gezogen hatte. Es hatte einen gehäkelten Rand und aufgestickte Initialen. Ein M in einem verschlungenen R. Sagit wischte sich die tränennassen Augen trocken. Dann griff er nach dem steinernen Krug und führte ihn mit beiden Händen an den Mund. Ein ranziger Geruch schlug ihm entgegen, aber als er davon trank, schmeckte es kühl und frisch. Es prickelte auf der Zunge und hatte einen Nachgeschmack von prallen Kirschen. Martha drückte sanft den Krug zu Boden, damit Sagit sich nicht verschluckte und mahnte ihn den Becher zu nutzen, schließlich hatten sie eine Mission und waren nicht zum Saufen hier. Sie benutzte das Wort mit Betonung und weit geöffneten Augen, soweit das einer Argonierin möglich war. Sie waren dem wahrscheinlichen Empfänger der Nachricht in eben jene Taverne gefolgt, in der Sagit sich ursprünglich aufwärmen wollte. Er war heilfroh, dass er es endlich hierher geschafft hatte. Aber angesichts der rauchigen Luft, den Ausdünstungen der unzähligen Gäste, dem Lärm, der ständigen Bewegung, die hier drinnen herrschte, fragte er sich, ob die Vorteile der wohligen Wärme nicht von den vielen ungesunden Nachteilen einfach weggewischt wurde. Er reichte Martha ihr Taschentuch zurück und erkundigte sich, ob sie den Mann noch sehen könne. Er selber konnte es nicht, da er ihn im Rücken hatte. Sie standen am Tresen eingequetscht zwischen bauchigen Pferdehändlern auf den einen Seite und Handwerkern groben Kutten auf der Anderen. Sie nickte und schilderte ihm, das der Mann mit einigen Leuten am Tisch diskutierte und gleichzeitig mit einem Messer durch ein Stück dampfenden Fleisches sägte. Sagit stellte sich ein trockenes und zähes Steak vor. Neugierig schielte er kurz hinüber, sah aber nur ein paar klobige braune Brocken in einer noch dunkleren Soße in einem tiefen Teller. Der Mann hielt ein Stück auf der Messerspitze und als er es sich in den Mund steckte, tropfte ihm dicker Klecks auf sein Kinn. Martha mahnte ihn diesmal nicht so zu glotzen, aber Sagit widersprach ihr und sagte, dass es ja wohl kaum auffallen könne, wo doch so ein Trubel herrschte. Er nahm den Krug und füllte seinen Becher. Gerade als er ihn an den Mund führen wollte, blies sein Nachbar am Tresen ihm eine dicke Wolke Tabakrauch in das Gesicht. Sofort brannten seine Augen und er musste so stark Niesen, dass ihm der Inhalt seines Becher im hohen Bogen davon flog und auf einen Vorbeigehenden herabregnete, dass es von den Haaren tropfte.
„Verfluchter Bastard!“, echauffierte sich der Betroffene. Ein stämmiger Tagelöhner, der wahrscheinlich gut schwere Lasten tragen konnte, wenn man nach seiner Statur urteilte.
„Troll dich! Was rennste hier auch hin und her“, versuchte Martha ihn abzuwimmeln.
Dem Tagelöhner traten vor Wut die schon glasigen Augen heraus. Er hörte gar nicht mehr zu. Durchaus schnell packte er Sagits Kragen und drehte seine Faust. Man hörte deutlich wie er bei jedem Atemzug nach Luft rang. In Panik boxte Sagit ihm auf die Brust, aber das zeigte keine Wirkung. Der Tagelöhner schimpfte lauthals und es entstand ein Tumult, weil sich alle Umstehenden einmischten. Bis Martha aufstand und dem Tagelöhner kräftig mit den Fingern in die Lücke zwischen Hals und Schlüsselbein drückte. Er ging in die Knie vor Schmerz. Nun packte sie ihn an den Haaren und nötigte ihn ein paar Schritte zur Seite zu gehen. Da ließ sie ihn zu Boden gehen. Dann kam sie zurück zu Sagit und schaute nach ihrem Boten.
„Verdammt!“
„Tut mir Leid. Ich konnte nichts dafür. Der Rauch und dieser grässliche Pöbel.“
„Schon gut. Wir haben unseren Mann verloren.“
„Oh. Vielleicht finden wir ihn. Die Straßen sind leer.“
„Zu spät.“
„Und nun?“
„Lass uns kurz warten.“