Hausaufgaben 9

Es stellte sich heraus, dass Martha eine geheime Depeche auf diese anonyme Weise übergeben hatte. Sagit glaubte ihr nicht ganz. Nach seiner Vorstellung hingen solcher Art Übergaben eher mit Diensten zusammen, die im geheimen gemacht wurden oder ganz einfach mit kriminellen Angelegenheiten, wie Erpressung oder Lösegeld. Aber er sah keinen Anlass dafür weiter in sie zu dringen. Sie sagte, sie ist eine von der Kämpfergilde und die machen auch so etwas. Nichts Besonderes. Das sollte ihn beruhigen. Den Rest des Tages begleitete er sie auf ihrem Weg durch die Stadt. Elinhir war ihm nicht sehr groß vorgekommen. In einer guten Viertelstunde konnte man es zügigen Schrittes vom Tor zum Apexturm schaffen. Mit Martha zusammen dehnte sich die Stadt auf das doppelte und dreifache. Nur das alles schön verschachtelt in einander verschränkt blieb. Erst musste Martha bei ihrem Gildenmeister Bericht erstatten. Sagit saß währenddessen in einem schmucklosen Raum auf einer Holzbank und betrachtete eine Sammlung Becher und Krüge, die in einem gewöhnlichem Regal ausgestellt waren. Es gab sogar eine Grünpflanze in einem Bottich in der Ecke. Sie war vertrocknet. Dann gingen sie zu einem großen Haus am Rande der Stadt, wo ein Vertrag unterzeichnet werden musste. Sagit wartete derweil in der Küche, wo ihn ein verlockender Duft hin geleitet hatte. Gerade als ihm ein Teller gereicht wurde, kam Martha hereingesaust und zog ihn weiter. Sie kehrten in einem Geschäft ein. Eine Schneiderei. Martha musste ein Kostüm zu Probe anziehen. Dabei erreichte sie ein Bote mit dringender Nachricht. Sie machten sich auf den Weg in die unterirdischen Lagerhallen. Es gab Probleme mit dem Bestand. Als das geklärt war, besuchten sie eine wichtige Freundin. Es gab verdünnten Wein mit Gebäck und aufgeregtem Gespräch. Gefühlt dauerte es den Nachmittag lang, aber alles in allem waren sie nur ein Stündchen da. Martha entschloss sich Sagit mit zum Empfang am Abend mitzunehmen. Doch dafür musste er unbedingt seine Kleider wechseln. Er gab zu, dass er nichts passendes hatte. Und so ging es zurück zur Kämpfergilde, wo sie ihm Sachen aus einem riesigen Kleiderschrank auf dem Dachboden aussuchten. Die Ausstattung für verdeckte Missionen, wie sie es nannte. Am Ende sah Sagit aus wie ein Kaufmann aus Colovia mit abgewetzten Ellenbogen. Er fühlte sich wie auf dem Kostümball. Martha befand ihn für eine gute Partie und schickte ihn zur Wäscherei am Ende der Straße, wo er seine schmuddelige Kleidung abgab. Das dauerte einige Zeit, weil er dort in Streit geriet, als er der Inhaberin erklären wollte, wie sie seine Wäsche behandeln sollte. Zurück bei Martha ging alles schnell. Sie war fertig und ausgehbereit. So gingen sie zu Fuß zum Haus, wo die Gesellschaft gegeben wurde. Mittlerweile war es Abend.

***

Für Cyrus und sein Suchtrupp war auch die Nacht angebrochen. Bisher waren ihr Bemühungen eine Spur von Iareth zu finden ergebnislos geblieben. Aber er wollte nicht aufgeben. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sie Iareth am Tage des Überfalls einfach so verloren hatten. Es musste etwas passiert sein, und es konnte nur hier in der Gegend gewesen sein. Sie richteten sich für die Nacht ein und legten sich sogleich zur Ruhe.

Am nächsten Morgen teilten sie sich erneut auf. Diesmal wollten sie tiefer in die benachbarten Täler vordringen. Nur noch diesen Tag wollten sie suchen und am Abend dann nach Elinhir zurückkehren. Egal wie es ausgehen würde. Um die Mittagszeit erklommen Cyrus und einer der Wachen, ein Mann namens Kellen einen Grat, um besser ins Tal schauen zu können. Sie wollten sich vergewissern, ob es überhaupt passierbar war und eine Suche sich lohnen würde. Es war recht schmal und dicht bewachsen. Hier und da waren freie Stellen an den Hängen. Weiter unten begann der Wald. Cyrus war sich nicht sicher. Er wägte alle möglichen Gründe ab. Plötzlich hockte Kellen sich hin und zeigte nach unten. Instinktiv hatte auch Cyrus sich klein gemacht und schaute in die Richtung. Er sah einen Mann, der den gegenüberliegenden Hang hinauf lief. Es war sehr steil, aber es schien ihm nichts auszumachen oder zu verlangsamen. Aus der Entfernung betrachtet, war der Mann so klein wie ein Fingernagel. Er war nichts weiter als ein brauner Strich in der Landschaft. War es überhaupt ein Mann, fragte sich Cyrus. An einer Stelle machte der Strich halt und kehrte dann um. Cyrus und Kellen machten sich daran ins Tal abzusteigen.

Es war nicht schwer den, den sie gesehen hatten zu finden. Sie stießen auf einen Pfad durch das Dickicht und folgten ihm bis in den Wald hinein. Dort fanden sie eine Hütte. Rauch stieg aus einem Schornstein auf. Das Haus war klein, vielleicht nur so groß wie ein Raum, und es duckte sich zwischen den Föhren. Sie beschlossen eine Weile auf der Lauer zu liegen. Lange tat sich nichts. Dann öffnete sich die Tür und ein Mann kam heraus. Er musste sich bücken, um sich nicht den Kopf zu stoßen. An einem Bottich füllte er Wasser in einen Eimer und ging wieder hinein. Wieder verging etwas Zeit. Cyrus sagte Kellen er solle versteckt bleiben. Dann ging er hinüber zur Hütte und stellte sich auf die freie Fläche vor der Tür, auf den Hof sozusagen.

„Ist da jemand? Ich komme friedlich.“, rief er.

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