Hausaufgaben 30

Sagit hatte ihm noch Glück gewünscht und war in Richtung Innenstadt verschwunden. Jetzt stand Iareth unschlüssig auf der beinahe verlassenen Straße und sah sich um. Sagit hatte es so klingen lassen als wäre Iareth ein Frauenheld, der genau wusste was zu tun war. In Wahrheit waren ihm seine Bekanntschaften genauso passiert wie den Frauen, die er kennen gelernt hatte, nämlich zufällig. Außer natürlich in den Bordellen.

Die Menschen würden sich jetzt in der Innenstadt, in den Tavernengassen tummeln, aber seine Erfahrungen hatten ihn gelehrt, dass die meisten Frauen in diesen Gesellschaften nichts von einem fremden Dunmer wissen wollten. Er sah zwar nicht mehr wie ein mittelloser Arbeiter aus, aber die Umgangsformen der feineren Gesellschaft beherrschte er dennoch nicht. Die Erinnerung an seine erste Begegnung mit Cyrus und Martha reichten ihm völlig aus, um das zu wissen. Daher schlenderte er langsam in Richtung der Unterstadt. Er ging eine Weile ziellos über die ärmlichen Plätze und Straßen und betrachtete alle Frauen und Mädchen die ihm unterwegs begegneten besonders aufmerksam. Er kam sich ein wenig albern vor, allerdings empfand er bei dem Gedanken sich einer von ihnen zu nähern auch eine angenehme Erregung. Vorerst erntete er jedoch hauptsächlich abfällige Blicke. Als seine Hoffnung langsam schwand setzte er sich in einen Häusereingang und betrachtete die von der Sonne orange-gefärbten, dreckigen Steinpflaster.

„Man, kannste dich nicht woanders hinsetzen?“ Iareth schrak hoch und sah sich um. Eine junge Frau, die in beiden Händen Eimer voll Wasser trug stand hinter ihm in der Tür und sah genervt auf ihn herab. Er erhob sich sofort. „Entschuldige,“ sagte er. Die Unbekannte antwortete nicht und drückte sich an ihm vorbei auf die Straße. Iareth stand einen Moment reglos da. Es dauerte eine Weile bis seine Sinne mit seinen Gedanken gleichzogen. Er machte einige Schritte und schloss zu ihr auf. Sie hielt nicht an und schien ihn auch nicht zu hören. Als er neben ihr ging sagte Iareth: „Kann ich dir beim tragen helfen?“ Sie hielt an. Ihr Gesicht war von der Sonne gebräunt und sommersprossig. Eine Schweißperle lief aus ihrem schmutzig blonden Haar, den Hals hinab und verlor sich auf ihrer Brust. Ihre grünen Augen blitzten spöttisch. „Was willst du?“ Ohne abzuwarten ging sie weiter, ihre kräftigen Arme trugen das Gewicht der schweren Eimer mühelos. Sie hielt bei einem eisernen Abguss und goss das schmutzige Wasser darauf. Iareth folgte ihr und betrachtete sie dabei. Sie trug ärmliche Arbeitskleidung und ihre Haut war rußverschmiert. Ihr Körper war muskulös aber zierlich, während ihre Schultern etwas breiter waren als man es allgemein für schön hielt. An ihr Haar schien sie wenig Gedanken zu verschwenden, es war zerzaust und erinnerte an eine Löwenmähne. Jetzt drehte sie sich zu ihm um, die leeren Eimer in einer Hand. „Danke, ich brauch keine Hilfe.“ Ihr freches, bubenhaftes Gesicht war immer noch skeptisch, aber nun mischte sich Verunsicherung dazu; sie konnte Iareth nicht einschätzen. Iareth war nun seinerseits unsicher. Ohne die Wette mit Sagit hätte er sich niemals in eine solche Lage gebracht. „Entschuldige,“ sagte er erneut, „ich will dir nicht auf die Nerven gehen.“

„So?“ Sie zog die Augenbrauen hoch. „Ich dachte,“ begann Iareth, doch sie ließ ihn abermals nicht ausreden sondern drehte sich um und ging in die nächste Seitengasse, in der eine winzige Schenke lag, vor der ein Tisch mit Stühlen stand und auch einige Früchte zum Verkauf auslagen. Ohne das Gewicht der beiden Wassereimer bewegte sie sich äußerst elegant und leichtfüßig. Iareth beschlich das Gefühl das es aussichtslos war, aber die junge Frau faszinierte ihn. Sie begann die Auslagen des Geschäfts einzuräumen.

„Meine Name ist Iareth,“ sagte er, als er sie erreichte. Sie hielt inne und lauschte offenbar. „Ich bin noch nicht lange in Elinhir und hatte gehofft jemanden kennenzulernen der mir vielleicht die Stadt zeigen…“ Es kam ihm ziemlich bescheuert vor.

Sie drehte sich zu ihm um, eine Zitrone in jeder Hand. Erstmal schien sie Iareth genauer in Augenschein zu nehmen, ihr Blick blieb an dem Schwert auf seinem Rücken hängen. „Und da quatschst du einfach arbeitende Leute auf der Straße an, oder was?“

„Na ja,“ gab Iareth zurück und zuckte mit den Schultern, „warum nicht?“ Sie lächelte erstmals und war dabei so schön, dass Iareth sie unverhohlen anstarrte. „Hast du vielleicht heute Abend Zeit?“

Sie stutzte, dann wandte sie sich wieder ab und fuhr fort Zitronen zu sortieren. „Nee,“ sagte sie undeutlich.

„Ich meine,“ versuchte es Iareth erneut, „nur ein bisschen was trinken und du erzählst mir von der Stadt?“

„Was denn sonst?“ erwiderte sie und Iareth hörte erleichtert das sie lächelte.

„Ich könnte wieder kommen, wenn du fertig bist.“

„Ich hab keine Zeit.“

„Oh.“

Sie drehte sich wieder zu ihm um. „Ich meine,“ sie versuchte sich mit der Hand durch die Haare zu fahren, blieb aber in der Mähne stecken. „Ich hab wirklich keine Zeit,“ plötzlich wirkte sie verlegen.

„Ah, ach so,“ Iareth war erleichtert und im nächsten Moment enttäuscht. „Dann… dann komm ich einfach bald wieder und frage erneut?“

„Mach das,“ und zum Braun ihrer sommersprossigen Wangen gesellte sich eine Spur Rot.

„Dann, bis bald,“ sagte Iareth und lächelte.

„Ja.“ Sie wirkte etwas unglücklich.

Er wandte sich zum gehen, ging ein paar Schritte, blieb abrupt stehen und sah sich um. Sie blickte ihm immer noch nach. „Wie ist denn dein Name?“

„Sara.“

„Gut,“ er lächelte wieder und hob die Hand, dann verließ er die Gasse.

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