Hausaufgaben 37

Menem lehnte gelangweilt am Pfosten des großen Stadttores. Der Stein kühlte ihm auch nicht den Rücken, wie er insgeheim gehofft hatte, was die Laune des Wachmannes ein ganzes Stück weiter drückte. Dazu kam, dass die Sonne bereits sehr tief im Westen stand und in den Augen brannte. Die Weststraße zu beobachten gehörte genauso zu seinen Pflichten wie die Kontrolle der Besucher und die Suche nach etwaigen Schmugglern. Ein langweiliger Dienst, eintönig und schlecht bezahlt. So schlecht, dass er sich oftmals genötigt fühlte, sein Gehalt auf Kosten der Reisenden etwas aufzubessern. Eine kleine Extraabgabe hier oder da, ein paar Münzen um nicht allzu genau hinzusehen, das übliche halt. Es war ja nicht so schlimm und außerdem machten es alle anderen auch so … glaubte er jedenfalls.

Für heute hatte er allerdings sein „Soll“ erfüllt. Eine Karawane aus Belkarth war eingetroffen. Sie hatten einen ganzen Wagen lebender Hühner dabei gehabt. Unterwegs musste es wohl einen Unfall gegeben haben, denn der Karawanenführer lag schwer verletzt und bewusstlos auf einem zweiten Karren. Sein Sohn, der noch lange keine zwanzig Jahreswechsel gesehen hatte, wollte ihn unbedingt heute noch zum Heiler bringen. Er hatte die spontan erfundene Hühnergesundheitsinspektionsabgabe gar nicht schnell genug bezahlen können, nur um sofort in die Stadt gelassen zu werden.

Menem rieb genüsslich über den prall gefüllten Beutel an seiner Seite.

„Du weißt schon, dass die Hälfte davon mir gehört?“

Er blickte auf und wandte den Kopf Rafira auf der anderen Seite des Tores zu. „Wie kommst du darauf?“

Seine Kollegin grinste. „Das ist eben so. Gleiche Schicht, gleicher Lohn.“

Menem war überhaupt nicht dieser Meinung. Immerhin war es seine Idee gewesen. Rafira hätte die Karawane vermutlich sogar unkontrolliert passieren lassen, faul wie sie war. „Vergiss es!“ antwortete er deshalb. „Meine Idee, meine Einnahmen. Lass dir selbst was einfallen.“

„Hab ich doch.“

„Wie? Was? Das wäre mir neu.“

Rafiras Grinsen verstärkte sich. „Ich hab mir was einfallen lassen. Ist doch ganz einfach: Du nimmst die Fremdländer aus und ich verpfeif dich nicht beim Hauptmann. Dafür gehört mir die Hälfte. Kinderleicht. Müsstest sogar du verstehen.“

Menem brauchte einen Augenblick, um Rafiras Gedankengang nachzuvollziehen. Das war … Ja das war doch eine bodenlose Frechheit! Er sollte die ganze Arbeit machen und sich dann noch von dieser Schlampe erpressen lassen?

Wütend wandte er sich ganz der Wachfrau zu: „Beim Hauptmann verpfeifen? Ja? Du kannst es ja gerne versuchen. Hauptmann Malek ist ein Vetter dritten Grades von mir. Jawohl! Der wird ganz bestimmt begeistert sein, wenn du einen Verwandten von ihm anschwärzt.“ Zur Bekräftigung schlug er sich auf den Brustpanzer dass es krachte. Jetzt hatte er gewonnen und würde jedes einzelne Goldstück behalten!

… dachte er …

bis zu Rafiras Antwort: „Hast du eigentlich gewusst, dass es dein Verwandter gern hat, wenn man ihm mal so richtig zwischen die Beine greift?“

Mit einem Wutschrei sprang Menem auf Rafira los, riss sie von den Beinen und landete mit ihr am Boden. Metall schepperte auf Metall, beide keiften sich an, schlugen aufeinander ein. Staub wirbelte auf.

Selbst wenn sie es gewollt hätten, so hätte keiner von ihnen den Schatten bemerkt, der an ihnen vorbei flink durchs Tor schlüpfte.

Das große Tor zur Unterstadt tauchte vor Zanodar auf. Es war schon dunkel und ja, er war zu spät. Aber vielleicht hatten die beiden anderen ja auf ihn gewartet? Aufmerksam sah er sich um, doch es war niemand da. Weder Iareth noch Cyrus waren zu sehen.

Was nun?

Zanodar beschloss, noch eine Weile zu warten.

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