„Also, meiner Erfahrung nach müsste hier irgendwo eine Seilwinde oder eine Kette sein, mit der das Gatter bewegt wird,“ sagte Iareth und sah an der Dwemerkonstruktion vorbei. „Wenn wir Pech haben ist die allerdings auf der anderen Seite…“ Er spähte ins Dunkel. „Ich glaube nicht, dass wir diese Metallstangen aufbrechen können, auch wenn sie schon ziemlich alt sind. Das scheint noch recht stabil zu sein.“ Er leuchtete wieder in Richtung des versperrten Ganges.
Sagit griff sich an die Schläfe. Ein stechender Schmerz zuckte hindurch. Er sah kurz alles doppelt, aber dann wirkte alles wieder normal. „Ich… Wenn es nur ein Lager war, dann wird man die Tür nur von außen öffnen können…“ Ihn übermannte eine hohle Übelkeit und er ließ sich vorsorglich in die Hocke sinken. „Vielleicht hat das was mit dem Gitter zu tun.“ Er zeigte im Dunkeln über sich auf den Kasten.
„Wie?“ fragte Iareth, „das hier?“ Er trat näher und besah sich die Konstruktion. „Ich dachte das wär irgendwas rituelles,“ er tastete über die Anzeigen, „irgendwas mit dem Sonnenstand oder so… Oh!“ Eines der Rädchen gab ein leises Klicken von sich. „Das hier dreht sich! Bei der eisigen Krake Hermäus Mora! Das ist ja unglaublich, der Zeiger hier bewegt sich und… hört ihr das?“ Ein leises Rauschen ging von einem der Rohre aus die vom Boden in den Kasten führten. Iareth wurde nun sichtlich aufgeregt. „Ich dreh mal alle,“ sagte er und kindliche Freude schwang in seiner Stimme mit. Kurz darauf erfüllte ein gesundes Brummen den ganzen Raum. Erwartungsvoll blickten sie auf das Gitter. Doch es passierte nichts.
„Du hast aus mehreren Schritten Entfernung im wackelnden Licht ein Kästchen an der Wand gesehen, für ein paar Augenblicke, und daraus geschlossen, dass es mit dem Sonnenstand zu tun hat?“, Sagit ließ eine Pause aufkommen, während er sich die Schläfen rieb, „Wir sind tief unter der Erde. Wo ist der Zusammenhang?“
„Wo ist der Zusammenhang? In nordischen Hügelgräbern malen sie auch Bäume an die Wände. Völlig egal wie das zusammenhängt. Bei uns in Morrowind haben sie in alten Anlagen häufig Wandteppiche aufgehängt, mit Deadrafratzen drauf oder Statuen von den Deadra, die sie anbeteten. Ich dachte, die hier haben halt so komische Kästchen mit dem Sonnenstand drauf oder so… keine Ahnung.“ Er zuckte mit den Schultern. „Auf jedenfall ist das verfluchte Gitter nicht aufgegangen. Nur brummen tut es.“
„Siehst du“, ächzte Sagit, „in Hügelgräbern oder alten Anlagen werden… egal.“ Sagit winkte ab, weil ihm schwindelig wurde. Er versuchte es zu verbergen und die Schatten der Dunkelheit halfen ihm dabei. „Ich denke, das ist eine Werkstatt gewesen. Diese Werkstatt konnte man von innen verschließen. Dwemer beten mechanische Spielereien an“, er versuchte zu lächeln. „Ich versuche humorvoll zu sein.“
„Okay, Sagit, dann erzähl doch mal von diesen Mechaniern. Ich hab nämlich noch nie von denen gehört.“ Iareth klang nun einwenig ungeduldig.
„Später Iareth.“ Sagit ließ sich auf dem eigenartiger Weise warmen Boden nieder. In der Hocke wurde es ihm zu wackelig. „Weißt du was Ziffern sind? Und was sie bedeuten?“
„Zahlen meinst du? Ja. Lesen und schreiben kann ich auch, wenn du dich das fragst. Meinst du diese Symbole hier, bei den Zeigern? Magische Runen? Ist das Dwemer Schrift?“
Sagit brummte etwas nachdem er seinen Kopf an die Wand gelehnt hatte. Runen wirbelten durch seine Gedanken und verschwanden in einem dunklen Strudel. Er fühlte Leere in sich. Es war angenehm sich nicht zu rühren und nicht zu zucken. Einfach in der Balance zu bleiben.
„Mh,“ überlegte Iareth weiter. „Vielleicht gibt es einen Trick, einen geheimen Hebel oder ein Rätsel?“ Er sah sich wieder die drei Rädchen und die Anzeige an, diesesmal genauer.
„Kein Rätsel…“, er hatte das Gefühl es in seiner normalen Lautstärke zu sagen, aber es war ein Flüsterton, „… einfach ein Schloss mit Zahlen.“
Ganz leise erklang ein tropfendes Geräusch im allgemeinen Summen der Anlage. Es stammte nicht von herabfallenden Wasser. Dafür war es zu hell. Sagit öffnete ein Auge, da verstummte es.
„Man, Sagit, stirb uns nicht weg!“ Besorg wandte sich Iareth von der Apparatur ab und hockte sich zu Sagit. „Hier, trink nen Schluck Wasser. Ohne dich kriegen wir das Ding niemals auf! Schloss mit Zahlen, sagst du? Also muss man dem Teil quasi die Losung sagen und wird rausgelassen? Und die Losung ist eine Zahlenreihe? Welche? Welche Zahlen? Woher sollen wir wissen, was sich ein schrumpeliger Dwemer vor tausend Jahren in seinem muffigen Keller ausgedacht hat? Hey, Sagit!“
Das Wasser rann über seine Schleimhaut im Rachen, wie über einen trockenen Schwamm. Die Oberflächenspannung war zu groß, so dass es einfach die Kehle hinabfloss. Es würde noch einige Schlucke brauchen und er musste sie im Mund behalten, um die Zirkulation in Gang zu setzen.
„Mit den Losungen ist es immer das Gleiche“, Sagit atmete ein paar Mal schwer durch, „meistens ist es ein Raubtier, oder ein Wort aus dem jeweiligen Jargon der Einheit… was auch immer.“ Er nahm noch einen Schluck in den Mund. Der Rand der Flasche schmeckte nach kaltem Metall. Nachdem er ihn herunter geschluckt hatte, sagte er: „Gut, dass du immer ein Feldflasche bei hast.“ Und nach einem weiteren Schluck: „Alle, jeder, seit immer haben sie Schlüsselzahlen aufgeschrieben. Eins, zwei, drei ist sehr beliebt… Irgendwo ist eine Notiz… wahrscheinlich so sicher, wie das wir hier in einer Dwemerruine feststecken. Ausgerechnet…“
Wieder erklang das helle Geräusch. Tropf, tropf. Dann klickerte es gegen Stein, leiser werdend.
„Eine Notiz?“ Iareth drehte sich um und leuchtete direkt in das Gesicht von Zanodar. „Man, Zanodar! Ich hab dich gar nich bemerkt. Sagmal, warum überlässt du das Rätseln eigentlich uns? Wenn es hier ne Notiz zu finden gibt, dann findest du die am ehesten. Ich versuch mal eins, zwei, drei, einzugeben.“