Bronzesoldaten 6

Die Leute draußen ließen sich davon nicht beeindrucken: „Die Verfluchte kommt raus“, riefen sie. Dann gab es eine kurze Diskussion, man hörte nur dumpfe Stimmen und keine Worte, bis jemand aus der Menge klar und deutlich sagte: „Wir brennen die Hütte nieder!“ Er bekam zustimmende Antworten.

Sagit wandte sich an den Alten: „Warum ist die Frau verflucht?“, fragte er ihn.

„Den Brunnen soll sie ausgetrunken haben!“, rief der Alte verzweifelt, „Sieh sie dir an! Kann sie sowas gemacht haben? Und… und sie hat sich das Balg andrehen lassen, von wem sagt sie nicht. Kann sie was dafür?“ Der Mann fiel auf die Knie und vergrub sein Gesicht in den Händen.

Der Anblick des alten Andors war jämmerlich, doch Sagit fiel es schwer Mitleid aufzubringen. Für ihn bewegte sich die Angelegenheit in der Kategorie Rückständigkeit und Aberglaube. Er wägte ab und sah sogar einmal zu Iareth, als wollte er ihn etwas fragen. Schließlich ging er zur Frau hinüber. Sie war noch recht jung und von einfachen Gemüt, zumindest nach Sagits oberflächlicher Betrachtung. Kurz entschlossen packte er sie am Oberarm und zerrte sie hinter dem Tisch hervor. Sie wehrte sich nicht. Ihr Blick bohrte sich in den hölzernen Boden. Ihr zum Zopf gebundenes Haar löste sich langsam in Strähnen auf.

„Wie heißt du?“, fragte er sie streng. Sie antwortete nicht. Nur eine Träne rann ihre rechte Wange herunter. „Egal“, stellte Sagit fest und ging sie mit sich ziehend zur Tür. Sie ließ es geschehen. Er riss die Tür auf und trat gemeinsam mit der Frau hinaus vor die Menge. Es waren vielleicht zwanzig, eher dreißig Männer und Frauen. Sie standen lose im Halbkreis vor der Hütte. Ihre Fackeln knisterten und loderten. Der stämmige Bauer war der einzige, der außerhalb der Gruppe stand direkt vor Sagit und der willenlosen Frau.

„Hört her Leute“, Sagit sprach laut und bemühte sich entschlossen zu klingen, „Das ist meine Frau und keiner rührt sie an! Ist das klar?“

Erst war es still. Die Leute brauchten eine Weile um die Neuigkeit eindringen zu lassen. Dann brachen sie in Gelächter aus.

„Jahi hat sich ´nen Städter geangelt, ha ha!“

„Wo kommt der Prinz auf einmal her Jahi, he he“

Es hagelte noch mehr Kommentare im selben Stil bis der Stämmige die Hand hob und sagte: „Es ist mir Schnurz, ob du die dumme Nuss geheiratet hast oder nicht. Jahi kommt jetzt mit.“

„Jahi bleibt bei mir und wird nicht verbrannt“, erwiderte Sagit.

„Wer spricht von Verbrennen?“, sagte der Stämmige ungläubig, „Jahi wird an den Pfahl gebunden und Tava wird entscheiden was geschieht.“

„Was? Ein Gottesurteil?“, jetzt war es an Sagit ungläubig zu sein, „Tava die Göttin des Windes. Feuer. Wasser.“ Der Stämmige antwortete nicht. Er packte Jahi am anderen Arm und zerrte sie zu sich. Sagit ließ nicht los, sondern schlug dem Mann blitzschnell ins Gesicht. Erschrocken taumelte der zurück. Die Menge schrie den Namen der Göttin Tava und das Sagit die Jahi rausrücken solle. Langsam versuchten sie die Beiden einzukreisen.

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